BETA KUNST 001: "Music"

Roh-Material _ Geschichten von ungenutzten Bildern.

Den bewegten Bildern des Films oder des Fernsehens schreibt man die weitgehenste künstlerische Kraft zu - im erzählerischen Sinne. Die unbewegte Fortografie dagegen hat zweifllos eine stärkere Kraft im Ausdruck. Was passiert, wenn man versucht, beide Aussagen zu koppeln? Geht dies überhaupt?

Jede Sekunde des Fernsehbildes besteht aus 25 Einzelbildern - ein schier unerschöpflicher Vorrat an Bildern, wenn man bedenkt, daß Auoren für einen fünf Minuten Beitrag im Schnitt ein Drehverhältnis von 1 zu 10 von ihrer Arbeit mit nach Hause bringen. Der harte Kampf jeder kreativ, künstlerischen Arbeit - die auch das Anfertigen von Fernsehbeiträgen bestimmt - hat am Ende zur Folge, da nicht nur viele inhaltliche Szenen nie das Licht der Mattscheibe erblickt haben, sondern auch eine vielfach höhere Zahl von gedrehten (Einzel-) Bildern.

Der Journalist und Sozialwissenschaftler Jörg Heidelberg (Fernseharbeiten u.a. für Sabine Christiansen, Spiegel TV, canale grande, Genscher Gala, Hast Du Töne) hat einige von ihnen jetzt aus den Cassetten befreit. Auf der einen Seite sind es Szenen, in denen die Kamera nur unwissentlich weiterläuft, bzw. auch nur weggestellt wird, da es inhaltlich nichts zu drehen gab, auf de anderen Seite sehr wohl inszenierte TV-Handlungen, die aber zu schwach für das eigentliche (bewegte) Fernsehprodukt waren.

BETA KUNST 001
Bilder, die den Schnitt nicht überlebt haben, kommen nun als ausgewählte Einzelbilder an den Tag. Digital herausoperiert aus analogen Drehcassetten. Grundlage seines Materials ist dabei sein eigenes Dreharchiv aus den letzten 10 Jahren. Beiträge, Feature-ilme und Reportagen aus den Bereichen Politik, Musik, Medien, Kultur und Sport. Die erste Reihe >001< zeigt 7 Bilder von Musikern (u.a. Blixa Bargeld, Michael Stipe und Natalie Merchant) während der Dreharbeiten zu MTV und VH-1 Featuren. Alle Rohmaterialen stammen dabei aus den Jahren 1996 bis 1999. Um beide Medien noch näher an einander zu koppeln, führt Jörg Heidelberg neben der visuellen- auch eine Audio-Ebene ein. Die Wortfetzen der "unbrauchbaren Szenen" finden sich in den Bildern als Textebene wiedr. Hör-bilder demnach.

(Für eine multimediale Ausstellung könnte man sich vorstellen, neben den gehängten Bildern kleine Sony-Watchman zu etablieren, die den ursprünglichen Beitrag -nicht das Rohmaterial ! - zeigen und damit der Idee des ROH-materials un des "Vergessenen Materials zu unterstreichen)

Der Titel BETA KUNST bezieht sich dabei nicht nur auf den medialen Ursprungsträger, nämlich die im TV-Geschäft üblichen Beta-Cassetten als Aufzeichnungsmedium, sondern gibt der Kunstreihe auch einen, durchas kritisch gemeinten, vorläufigen, vergänglichen Charakter, wenn der Begriff im Sinne der Online- und Computerwelt benutzt wird, als Testversion bzw. Test-Kunstform. Denn gerade die digitale Umwandlung von analogem Material bis hin zum künstlerischem Ausduck auf Leinwand kann im ständig fortschreitenden digitalem zeitalter immer nur vorläufig sein. Es gibt also keine greifbare Endform der "vergessenen Bilder".



BK "It´s" (Natalie Merchant, Hamburg, 1996)
BK Wait (Michael Stipe, San Sebastian, 1995)